Der kleine Vampir meets Harry Potter
Jana Scheerer
Gespenster sehen aus wie ein schwebendes Bettlaken mit Augen. Aber wie sehen
Gespinster aus? Das verrät Angela Sommer-Bodenburg in "Kasimir von Käsebleich".
Er ist nämlich eins.
Vergesst alles, was ihr über Gespenster wisst: Hier kommen die Gespinster.
Das ist ein großer Unterschied: Gespinster sind nicht die Seelen toter Menschen,
sondern stammen von einer Wolke ab, die aus einem Gespinst von Sternstaub und
Kometenasche mit den Splittern eines Meteors darin bestand. Daher wohl auch der
Name.
Gespinster sehen fast aus wie Menschen, sie haben Arme, Beine und einen
Kopf. Sie können allerdings einiges mehr: Fliegen und sich so dünn machen, dass
sie durch ein Schlüsselloch passen. Dafür bauen Gespinster keine Häuser, aber
wozu auch: Die Menschen haben ja Dachböden genug, wo es sich als Gespinst
hervorragend leben lässt.
Auch Kasimir von Käsebleich ist ein Gespinst, allerdings noch ein sehr
kleines. Als ihn seine Mutter Malwine von Käsebleich, geborene von Hasenherz,
zur Welt bringt, ist er gerade mal so groß wie eine Gespinsterhand. Das soll
sich schnell ändern: Kasimir wächst und entwickelt sich in einem Tempo, das noch
bei keinem Gespinsterkind vor ihm beobachtet wurde.
Schon mit vier Tagen kann er sprechen, lesen, zählen, schweben und durch
Schlüssellöcher schlüpfen. Kein Wunder, dass sein Eltern sich ein bisschen
wundern.
Mit
den Menschen verstehen sich die Gespinster leider gar nicht mehr gut: Seit
vor vielen Jahren Emanuel der Finstere die Gespinster für den Tod seiner
geliebten Tochter Melisande die Zarte verantwortlich machte, verfolgen die
Menschen die Gespinster.
Zu diesem Zweck wurde der Beruf des Ranzenmannes erfunden. Ranzenmänner
tragen - wie könnte es anders sein - einen Ranzen auf dem Rücken. In diesem
Ranzen befinden sich die Mohnkörner, die jedes Gespinst dazu verdammen, sie zu
zählen. Anschließend wird es vom Ranzenmann mit einem Zauberspruch zu Stein
verwandelt.
Aber was hat das alles mit Kasimir zu tun? Er ist am Sonntag, dem 13.September
geboren - der Stunde der Wiederkehr: Alle dreizehn mal dreizehn Jahre
erscheint eine Wolke aus Sternenstaub und Kometenasche am Himmel.
Damit ist klar: Kasimir ist etwas besonderes. Seine Eltern geben ihn deshalb
schweren Herzens in die Obhut von Wieland von Waghals, der als Historiker in der
Gespinsterschule arbeitet. Weil Kasimir noch zu klein für den regulären
Schulbetrieb ist, gibt Wieland ihm Privatunterricht.
Und das ist auch bitter nötig: Wie sich bald herausstellt, ist wieder ein
Ranzenmann unterwegs - und er hat es auf Kasimir abgesehen. Der hat also
gleich zwei schwere Aufgaben: Als "Gespinstermessias" die alte Schrift der
Gespinster, die Oda-Hora wiederzubeschaffen und ganz nebenbei seine eigene Haut
zu retten.
Angela
Sommer-Bodenburg verbindet Themen wie Angst, Verantwortung, Toleranz und
Liebe mit einer fantastischen Geschichte. Die Erfinderin des "kleinen Vampirs"
bleibt bei ihren Leisten: Wieder geht es um Wesen, die den Menschen Angst
einflößen, zugleich aber selbst von ihnen bedroht werden. Und wieder gibt es,
wie schon zwischen Anton und Rüdiger, eine Annäherung auf persönlicher Ebene:
Bei seiner Flucht vor dem Ranzenmann kommt Kasimir bei dem Menschenmädchen
Simone unter.
Die Gespinsterschule, die Kasimir im zweiten Band "Kasimir Käsebleich kommt in
die Schule" besucht, bringt zudem eine Prise Harry Potter ins Spiel.
Heraus kommt eine Mischung, die diese Variation des "kleinen Vampirs" für
deutlich jüngere Kinder geeignet macht.
Mit Schulen dürfte Angela Sommer-Bodenburg sich auskennen: Sie arbeitete
als Grundschullehrein und bekam den Anstoß für das Schreiben von Kinderbüchern
durch ihre SchülerInnen und die eigene Tochter. Mittlerweile lebt sie mit ihrem
Mann und zwei Hunden auf einem Berg in der Nähe von San Diego.
Bleibt die Frage, ob Kasimir von Käsebleich seine auf der Gespinsterschule
erworbenen Fähigkeiten nutzen kann, um im dritten Band "Kasimir von
Käsebleich und der Ranzenmann" zum Retter der Gespinster zu werden? Um das
zu erfahren, hilft nur eines: Lesen!
Quelle: AVIVA-Berlin Buecher, Kids, Jana Scheerer, 16.11.2003